Rechtsanwalt Paul Degott
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Überörtliche Kooperation selbständiger Rechtsanwälte, die als ausgewiesene Experten täglich mit allen Rechtsfragen aus dem Bereich Touristik befasst sind - ob mit der Durchsetzung von Fluggastrechten, mit der Rückforderung von Flugticket-Kosten bei 100 %-Storno oder mit den wechselnden Themen des Pauschalreiserechts.
Rücktritt wegen unvermeidbarer, außerordentlicher Umstände und dennoch Stornogebühr des Reiseveranstalters?
Reiserechtliche Rechtsstreitigkeiten sind aktuell davon geprägt, dass Reisende gem. § 651h Abs. 3 BGB nach der dort anzustellenden Prognose den Rücktritt vom Reisevertrag erklärt haben und nach § 651h Abs. 5 BGB die unverzügliche Rückzahlung des eingezahlten Reisepreises verlangen. Regelmäßig bestreiten nun die Reiseveranstalter, dass der Rücktritt und die Prognose des Reisenden begründet gewesen seien und machen im Gegenzug die angeblich AGB-mäßig zu zahlenden Stornopauschalen geltend.
Die begründete Prognose des Reisenden ist entscheidend, mit der er seinen Rücktritt begründet. Letztlich wird im Streitfall von den Gerichten überprüft, ob genügend Anhaltspunkte gesehen werden, dass "am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, welche die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen" (§ 651h Abs. 3 BGB). Der Reisende hat die Begründung für seine Prognose genau und detailliert vorzutragen. Es hat sich dabei eingebürgert, den Prüfzeitpunkt anstatt zum Reisebeginn auf den zeitlich früheren Prognosezeitpunkt vorzuverlegen, ob der kostenfreie Rücktritt begründet ist oder nicht.
Dabei weist § 651h Abs. 3 BGB dem Reiseveranstalter die Preisgefahr bis spätestens zum Zeitpunkt des geplanten Reiseantritts zu, in dem feststeht, dass die von ihm zu erbringende Reiseleistung unmöglich oder für den Reisenden unzumutbar ist. Durch das Recht zum Rücktritt wegen einer drohenden Reisestörung soll der Reisende der Pflicht zur Zahlung des Reisepreises oder der an seine Stelle tretenden Stornokostenentschädigung enthoben sein, ohne sich erst einem persönlichen Risiko aussetzen zu müssen.
Wird also auf den früheren Prognosezeitpunkt abgestellt, ergibt sich eine deutliche Verschlechterung der rechtlichen Position des Reisenden entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut. Dies wird deutlich, wenn sich zeitlich nach Prognose mit Rücktrittserklärung des Reisenden die Annahmen des Reisenden bestätigen: Es werden die Grenzen zum Urlaubsland für ausländische Touristen geschlossen; die vom Reiseveranstalter eingesetzte Fluggesellschaft für Hin- und Rückflug sagt die Flüge ab; der Reiseveranstalter sieht sich aus anderen, Corona-bedingten Umständen nicht in der Lage, die mit dem Reisenden ursprünglich vereinbarte Pauschalreise durchzuführen. Seinerseits einen Rücktritt nach § 651h Abs. 4 BGB erklären zu müssen, hat er nun nicht mehr nötig. Denn der Reisende selbst hat schon durch seine Rücktrittserklärung nach § 651h Abs. 3 BGB den Reisevertrag beendet (§ 651h Abs. 5 BGB). Dennoch streitet der Reiseveranstalter auch jetzt dagegen, dass die Prognose-Entscheidung des Reisenden begründet gewesen sei und besteht auf der Berechtigung seiner Stornoforderung, welche er mittels Verrechnung mit dem schon gezahlten Reisepreis auch prompt realisiert.
Eine Stornoentschädigung, die er noch nicht einmal begründet, obwohl der Reisende hierzu ein gesetzliches Auskunftsrecht hat (§ 651h Abs. 2 S. 3 BGB). Der Reiseveranstalter verlangt also eine Stornoentschädigung, obwohl die Reise aus Corona-bedingten Gründen überhaupt nicht stattfindet. Dies kann nicht richtig sein. Es gibt im BGB immer noch die Grundregel: Kann eine Vertragspartei die ihr obliegende Leistung nicht erbringen, muss sie der Gegenleistung entbehren. Dies ganz unabhängig davon, wie viel Aufwendungen sie schon getätigt hat, um die eigene Leistung vorzubereiten bzw. zu bewirken. Also: Kein Reisepreis ohne Reiseleistung.
Rechtsanwalt Paul Degott, Hannover
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