Rechtsanwalt Paul Degott

Rechtsanwalt Paul Degott, Schwerpunkt, Fluggastrechte, Reiserecht

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in Kooperation mit:

RA Prof. Dr. Ronald Schmid, Frankfurt am Main
Vors. Richter am OLG a.D. Jürgen Maruhn, Frankfurt am Main

Überörtliche Kooperation selbständiger Rechtsanwälte, die als ausgewiesene Experten täglich mit allen Rechtsfragen aus dem Bereich Touristik befasst sind - ob mit der Durchsetzung von Fluggastrechten, mit der Rückforderung von Flugticket-Kosten bei Reiseveranstalter-Stornopauschalen oder mit den wechselnden Themen des Pauschalreiserechts, auch nach der Neufassung des Pauschalreiserechts ab 01.07.2018.

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Pauschalreisen:
Unfall im Urlaub und Haftung des Reiseveranstalters

Als einen Unfall definiert das Versicherungsrecht ein plötzlich von außen auf den Körper einer Risikoperson einwirkendes Ereignis, das eine unfreiwillige Gesundheitsbeschädigung bewirkt (§ 178 Abs. 2 VVG).

Von Personenschäden und schweren Unfällen sind auch Reisende während ihrer Urlaubszeit betroffen. Nach der notwendigen Personensorge und der erforderlichen medizinischen und logistischen Betreuung taucht schnell die Frage auf, wer verantwortlich für das Schadensereignis ist, wer die Kosten trägt, wer wegen der Urlaubsbeeinträchtigung oder dem Reiseabbruch für die Rückzahlung des Reisepreises einzustehen hat, wer für die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit haftet oder gar auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes.

Reisen auf eigene Gefahr

Die einschlägige Rechtsprechung sieht zunächst den Reisenden, der sein gewohntes Lebensumfeld im Zusammenhang mit einer Urlaubsreise verlässt, ferne Länder bereist, sich freiwillig in zusätzliche Gefahrensituationen begibt. Insoweit hat der Reiseveranstalter im Rahmen seiner vertraglich übernommenen Reiseleistungen nicht für von außen kommende Reisebeeinträchtigungen einzustehen, welche der privaten Risikosphäre des Reisenden zuzurechnen sind. Es ist nicht Aufgabe des Reiseveranstalters, den Reisenden vor seinen persönlichen Verletzungsgefahren zu schützen, welche sich auch in seinem Privatbereich zu Hause realisieren könnten. Zudem bewegt sich der Reisende nach seinem Wunsch in seinem gewählten Urlaubsgebiet und muss daher die Reiserisiken tragen, welche sich aus dem jeweiligen Umfeld des Urlaubsortes ergeben können. Der Reiseveranstalter hat nur für den reisespezifischen Gefahrenbereich seiner Unternehmersphäre einzustehen und zu haften. Der Reisende kann und darf nicht erwarten, dass sich sozusagen wie Vollkasko die Einstandspflicht seines Reiseveranstalters auch auf das allgemeine Risiko seiner Privatsphäre und des Umfeldrisikos erstreckt.

Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters

Auch wenn Störungen aus der privaten Urlaubssphäre des Reisenden, insbesondere sein persönliches Verletzungsrisiko nicht zu einer Einstandspflicht des Reiseveranstalters im Rahmen dessen Leistungsprogramms führen, gibt es gleichwohl den Bereich der Organisations- und Fürsorgepflichten des Reiseveranstalters im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht bei gefährlichen Anlagen oder Unternehmungen. Missachtet er diese, gerät er in die Haftung, weil er seine Fürsorge und Verkehrssicherungspflichten schuldhaft nicht erfüllt hat. So hat der Reiseveranstalter Informationspflichten unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge gegenüber dem Reisenden zu erfüllen. Er hat eine Umweltbeobachtungspflicht, Kontrollpflichten hinsichtlich seiner Leistungsträger und sonstigen Erfüllungsgehilfen und muss unverzüglich den Reisenden warnen, wenn konkrete Risiken hieraus festgestellt werden, die zum Schaden des Reisenden werden können. Oder der Reiseveranstalter stellt die Gefahren selbst ab, wenn ihm dies oder seinem Leistungsträger, etwa dem Hotelier möglich ist. Im sogenannten Balkonsturzfall (Urteil vom 25.02.1988, VII ZR 348/86) nahm der BGH erstmals eine sehr weitgehende, eigene berufsspezifische Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters bei der Vorbereitung und Durchführung der Reise an. Dort war ein Reisender vom Balkon eines Hotels mit gravierenden Verletzungen gestürzt, weil das Balkongitter nicht richtig im Mauerwerk befestigt war. Das Gericht forderte nicht nur die sorgfältige Auswahl und Überwachung des eigenen Personals und der eigenen Transportmittel und Unterkünfte, sondern darüber hinaus auch eine sorgfältige Auswahl und fortlaufende Überwachung der Leistungsträger wie hier des Hotels. Diese Überwachung muss regelmäßig durch einen sachkundigen und pflichtgemäßen Beauftragten erfolgen, wobei eine solche Kontrolle alle sicherheitsrelevanten Teile eines Hotels zu Beginn jeder Saison allenfalls den Mindestanforderungen an die Verkehrssicherungspflicht genügen würde. Die weitere Rechtsprechung des BGH dehnte dies auch auf Sportmöglichkeiten aus, die im Zielgebiet freiwillig hinzu gebucht werden konnten (Reitclub-Fall I und II) oder auf Hoteleinrichtungen wie eine Wasserrutsche, sogar wenn diese solchen Personen offen steht, die nicht Hotelgäste sind und wenn die Wasserrutsche selbst nicht zum Leistungspaket des Reiseveranstalters gehörte. Als Haftungsgrund war ausreichend, dass die Hotelrutsche im gebuchten Hotel verfügbar war, wenn auch gegen Aufpreis und für den Reiseveranstalter erkennbar war, dass das vor allem junge Reisepublikum die Wasserrutsche in Anspruch nehmen würde. Dort war ein Ansaugrohr im Pool nicht abgedeckt durch ein Gitter, sodass ein ins Wasser eintauchender Junge angesaugt wurde, sich mit seinem Arm im nicht gesicherten Ansaugrohr verfangen hat und ertrunken ist. Diese Grundsätze geltend auch für Skireise-Veranstalter für eigenes Organisationsverschulden bei der Planung von Skitouren, oder im Rahmen einer Animateurveranstaltung im Urlaubsclub.

Haftung des Reiseveranstalters im Grenzbereich zwischen allgemeinem Lebensrisiko des Reisenden zu Verkehrssicherungspflichtverletzung

In einer gewissen Grauzone liegen Schadensfälle infolge von Übergriffen oder Unfällen am Urlaubsort. So hat z.B. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.09.2008, 2 - 19 O 105/08 die Einstandspflicht für einen Überfall auf einen Reisebus in Brasilien als allgemeines Lebensrisiko angesehen und eine Einstandspflicht des Reiseveranstalters abgelehnt. Es ging dort um einen Überfall auf den Transferbus vom Flughafen zum Hotel. Das Gericht war der Auffassung, die allgemeine Kriminalität im Zielgebiet gehöre grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko und stelle keinen Reisemangel dar. Insoweit treffe den Reiseveranstalter auch keine Hinweispflicht. Anders würde es sich nur dann verhalten, wenn für die konkrete Reise eine darüber hinausgehende spezielle Kriminalitätsgefahr bestehen würde.

Ähnlich OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.02.2013, 16 U 142/12 zu einem Überfall mit Machete am freien Strand vor einem Urlaubshotel in der Dominikanischen Republik. Raubüberfälle auf Reisende in der Urlaubsregion seien als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos anzusehen und würde keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht von Seiten des Reiseveranstalters begründen.

Mit den Entscheidungen des BGH, Urteile vom 06.12.2016, X ZR 117/15 und X ZR 118/15 kündigt sich nun eine Änderung der Sichtweise an. In den beiden Verfahren hatten Reisende eine Pauschalreise in die Türkei gebucht. Im Reisepreis war der Transfer vom Flughafen zum Hotel inbegriffen. Auf dieser Fahrt kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Transferbus auf der eigenen Fahrspur durch ein entgegenkommendes Fahrzeug gerammt wurde. Die Reisenden erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Sie sahen in dem Unfall einen Reisemangel und verlangten vom beklagten Reiseveranstalter die. Rückzahlung des Reisepreises. Dem ist der BGH letzten Endes gefolgt. Die Reiseleistung sei insgesamt mangelhaft gewesen, weil es dem Reiseveranstalter nicht gelungen sei, die Reisenden unversehrt zu dem gebuchten Hotel zu bringen und sie deswegen auch die weiteren Reiseleistungen nicht in Anspruch nehmen konnten. Der Umstand, dass den Reiseveranstalter kein Verschulden an dem durch den "Geisterfahrer" verursachten Unfall traf, ist für die Erstattung des Reisepreises unerheblich, weil der Reiseveranstalter die Preisgefahr, d.h., das Risiko, den vereinbarten Reisepreis nicht zu erhalten, auch dann trägt, wenn der Reiseerfolg durch Umstände vereitelt wird, die weder ihm noch dem Reisenden zugerechnet werden können.