Rechtsanwalt Paul Degott
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RA Prof. Dr. Ronald Schmid, Frankfurt am Main
Vors. Richter am OLG a.D. Jürgen Maruhn, Frankfurt am Main
Überörtliche Kooperation selbständiger Rechtsanwälte, die als ausgewiesene Experten täglich mit allen Rechtsfragen aus dem Bereich Touristik befasst sind - ob mit der Durchsetzung von Fluggastrechten, mit der Rückforderung von Reiseveranstalter-Stornopauschalen oder mit den wechselnden Themen des Pauschalreiserechts, auch nach der Neufassung des Pauschalreiserechts ab 01.07.2018.
Wer erstattet das Flugticket-Entgelt?
Wer zeitgemäß sein Flugticket bucht, nutzt regelmäßig die Online-Ticketshops oder ähnliche Internet-Buchungsportale. Oder der Ticket-„Verkauf“ erfolgt über ein stationäres Reisebüro oder direkt über das Online-Buchungsportal der Fluggesellschaft.
So oder so: Die Tickets werden bei Buchung vollständig bezahlt, die Buchung rückbestätigt und ggf. werden sofort die E-Tickets ausgestellt. Muss das Flugticket nun storniert werden, ergibt sich nach BGB die Notwendigkeit der Abrechnung bzw. Rückabwicklung, wenn der Flugkunde die Rückzahlung des Ticket-Entgelts anstrebt. Aber wer ist ihm zur Abrechnung und Rückzahlung verpflichtet?Rückabwicklung des Flugticket-„Kaufs“ nach § 649 BGB
Der Fluggast kann den Luftbeförderungsvertrag, einen Werkvertrag im Sinne von §§ 631 ff BGB, bis zur Erbringung der Flugbeförderung jederzeit und ohne Angaben von Gründen gemäß § 649 BGB kündigen. Als Rechtsfolge kann der Unternehmer, der vertragliche Luftfrachtführer, die vereinbarte Vergütung verlangen. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er in Folge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, das heißt im Falle eines gekündigten Luftbeförderungsvertrages die durch andere Buchungen erzielten oder böswillig nicht erzielten Erlöse (§ 649 S. 2 BGB). Wird der Flug nicht angetreten, sind zum einen die im Flugpreis enthaltenen Steuern, wie MwSt., Gebühren und Entgelte einschließlich aller etwaigen Zuschläge, zu erstatten. Diese Flugnebenkosten fallen nur an, wenn der Fluggast den Flugschein tatsächlich in Anspruch nimmt.
Darüber hinaus besteht auch ein Anspruch auf Erstattung des restlichen Beförderungsentgeltes. Die Fluggesellschaft ist so zu behandeln, als habe sie die stornierten Tickets anderweitig mit einem Erlös weiterverkaufen können, der zumindest dem vom Fluggast gezahlten Betrag entsprach.
Zwar hat grundsätzlich der Besteller (bzw. der Fluggast) darzulegen und zu beweisen, dass der Unternehmer (bzw. der Luftfrachtführer) Aufwendungen erspart bzw. Erlöse durch anderweitige Buchungen (Weiterverkauf des stornierten Flugtickets) erzielt hat. Weil der Besteller jedoch regelmäßig keinen Einblick in die Betriebsinterna des Unternehmens hat, ist dem Unternehmer im Wege der sog. sekundären Darlegungslast zuzumuten, seine ersparten Aufwendungen bzw. anderweitig erzielten Erlöse für den konkreten Fall darzulegen und zu beziffern. Erst dann ist es Sache des Bestellers darzulegen und zu beweisen, dass der Unternehmer höhere Aufwendungen erspart bzw. höhere Erlöse erzielt, als vom Unternehmer behauptet (BGH, Urteil vom 14.01.1999, VII ZR 277/97; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.06.2014, 2-24 S 152/13).
Ermittlung des zur Abrechnung nach § 649 BGB verpflichteten Unternehmens
Bei der eingangs geschilderten Gemengelage, möglicherweise unter Einschaltung mehrerer Buchungsportale und Vermittler oder auch Zwischenhändler, taucht im konkreten Streitfall regelmäßig das Problem auf, schwierig feststellen zu können, gegen wen eigentlich dieser Abrechnungs- und Rückzahlungsanspruch zu richten ist. Mit wem also der Luftbeförderungsvertrag konkret abgeschlossen worden ist, welcher dann nach § 649 BGB rückgerechnet wird.
Buchung über Buchungsportal der Fluggesellschaft
So die Flugticketbuchung direkt über das Buchungsportal der Fluggesellschaft vorgenommen wurde, ist der Vertragspartner des Luftbeförderungsvertrages und damit der Anspruchsgegner klar, dies ist dann die Fluggesellschaft.
Handelt es sich um einen zusammengesetzten Flug unter Beteiligung mehrerer Fluggesellschaften, gibt Klarheit die sog. Prefix, Dies sind die ersten drei Ziffern der Ticketnummer, die IATA Airline Prefix, welche speziell und ausschließlich nur einmal pro Fluggesellschaft vergeben wird. So ergibt sich z. B. aus der Prefix „220“, also der ersten drei Ziffern eines Tickets zwingend, dass in diesem Fall die Deutsche Lufthansa AG diejenige Fluggesellschaft ist, welche den Ticketpreis kassiert hat und mit welcher vermutlich auch der Luftbeförderungsvertrag abgeschlossen worden ist. Die meisten international operierenden Fluggesellschaften gehören zur IATA, der Internationalen Luftverkehrs-Vereinigung. Diese übernimmt für ihre Mitglieder die jeweilige Ticketabrechnung für den internationalen Flugverkehr. Die Abrechnung erfolgt über das IATA-Clearing House mit Sitz in Genf. Dies ist die Abrechnungszentrale der IATA-Luftverkehrsgesellschaften, zu der die jeweilige Fluggesellschaft gehört. Ausgangs- und Eingangsrechnungen jeder Fluggesellschaft werden hier saldiert. Die Basis für die Verrechnung sind die Interline-Abkommen zwischen den Fluggesellschaften. Somit braucht eine Airline nur noch mit dem Clearing-House und nicht mehr mit den anderen Airlines abrechnen.
Die Zuordnung der jeweiligen Ticketentgelte erfolgt nach dem IATA Prefix-Code. Diese lautet im Beispielsfall "220" für LH. Jedes Ticket, das diesen Ticket-Code enthält bzw. die entsprechende Ticketentgelte werden über das IATA-Clearing House eingesammelt und abgerechnet, bzw. fließen dem Konto der mit der Prefix ausgewiesenen Fluggesellschaft zu. Auch aus den sonstigen Buchungsgeschehen sollte sich ergeben, dass diese Fluggesellschaft auch der Vertragspartner des Luftbeförderungsvertrages ist. Im Streit um die Flugpreisrückerstattung bei Stornierung beruft wird sich die Fluggesellschaft gerne auf eine Klausel ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen, wonach eine Flugpreiserstattung bei Stornierung vollständig ausgeschlossen sei. Eine solche Klausel ist als Pauschalierung des Vergütungsanspruchs nach § 649 S. 2 BGB gemäß § 309 Nr. 5 BGB unwirksam schon deshalb, weil dem Flugpassagier nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, dass ein Schaden oder eine Wertminderung ausgeblieben oder wesentlich niedriger als der einbehaltene Betrag ist (AG Rüsselsheim, Urteil vom 16.05.2012, 3 C 119/12 (36); AG Frankfurt/Main, Urteil vom 18.11.2013, 29 C 2391/13 (44); Urteil vom 26.02.2015, 32 C 4707/14 (84); Urteil vom 16.03.2015, 31 C 3691/14 (96)).
Sogar wenn der Flugpassagier bei Buchung zwischen verschiedenen Ticketkategorien wählen darf, gilt dies nach der einschlägigen Rechtsprechung nicht als Individualvereinbarung, welche sozusagen die gesetzliche Regelung aushebeln kann, weil keine AGB-Regelung. Denn regelmäßig ist eine solche Wahlmöglichkeit kein individuelles Aushandeln der Ticket- und Tarifbestimmungen (AG Frankfurt am Main, Urteil vom 01.04.2016, 32 C 4422/15 (13)).
Rolle der online-Buchungsportale
Unsicherheiten, wer der richtige Vertragspartner des Luftbeförderungsvertrages ist, ergeben sich dann, wenn der Flugpassagier über eines der vielen Online-Portale die Tickets gebucht und von dort auch eine Abrechnung und Buchungsbestätigung bekommen hat. Oder auch, wenn er ein stationäres Reisebüro in Anspruch genommen hat, und auch von diesem eine Rechnung und die Flugbestätigung bekommt. Hieraus ergibt sich ein Argument, auf welches die auf Abrechnungen in Anspruch genommene Fluggesellschaft gerne zurückzieht, dieses Portal oder auch das vermittelnde Reisebüro sei gar kein Vermittler. Es hätte sich vielmehr um ein Eigengeschäft der Online-Plattform bzw. des Reisebüros gehandelt und diese Stellen hätten wie ein Consolidator agiert mit der Folge, dass die Fluggesellschaft nicht abrechnungsverpflichtet sei, der falsche Anspruchsgegner sei, vielmehr die vermittelnde Stelle auf Abrechnungen in Anspruch zu nehmen sei. Insoweit hat etwa das AG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.12.2016, 32 C 847/16 (27)) entschieden: Beim Erwerb von Flugtickets von IATA-Fluggesellschaft würde zwar eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass Vertragspartner die Fluggesellschaft wird. Die Fluggesellschaft hätte diese Vermutung jedoch dadurch widerlegt, dass sie substantiiert unter Abbildung des Buchungsvorgangs vorgetragen hat, dass sie die Tickets an ATT Air Ticket Team, also an einen klassischen Consolidator verkauft hätte. Es wäre nun Sache des klagenden Flugpassagiers, substantiiert darzulegen, dass dieser Ticketshop seinerseits nicht als eigener Anbieter der Luftbeförderung gehandelt hat. Ein solcher Nachweis ist für den Verbraucher naturgemäß schwer zu führen.
Hierzu hat das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 22.12.2015, 2-24 S 72/16) Grundsätze entwickelt, wie eine derartige Sachlage beurteilt werden kann: Wenn ein Reisebüro ‑ auch ein Online-Reisebüro ‑ Flugscheine von einem Ticket-Zwischenhändler (sog. Consolidator) erworben hat und diese mit einem eigens kalkulierten Aufschlag an den Fluggast weiterveräußert, spricht dies für ein Eigengeschäft, da es in diesem Falle an der wesentlichen Voraussetzung eines Vermittlungsgeschäftes, nämlich der Preisidentität fehlt. Wird ein Luftbeförderungsvertrag gemäß § 649 BGB gekündigt, sind zum einen die im Flugpreis enthaltenen Steuern (wie MwSt.. Gebühren und Entgelte einschließlich etwaiger Zuschläge) zu erstatten.
Obgleich ein Online- oder stationäres- Reisebüro regelmäßig Reiseverträge und Beförderungsverträge lediglich für den jeweiligen Reiseveranstalter bzw. Luftfahrtunternehmer vermittelt, kann das tatsächliche Auftreten des Reisebüros aus der Empfängersicht eines objektiven Reisenden dazu führen, dass das Reisebüro den Reise- bzw. Beförderungsvertrag als eigene Leistung und in eigener Verantwortung anbieten und erbringen möchte. Wenn nach den AGB des Reisebüros dieses als Vermittler tätig wird oder wenn die Reisebestätigung einen klaren Hinweis auf eine solche Vermittlertätigkeit enthält, sind dies starke Indizien für ein Vermittlergeschäft und gegen ein Eigengeschäft. Allerdings können diese Indizien im Einzelfall entkräftet werden, wenn das Reisebüro anlässlich des Vertragsschlusses in einer Weise auftritt, welche für ein Eigengeschäft spricht. Wenn das Reisebüro Flugticket von einem Ticketzwischenhändler (sog. Consolidator) erworben hat und diese mit einem eigens kalkulierten Aufschlag an den Fluggast weiterveräußert, spricht dies für ein Eigengeschäft. Wird in der Rechnung z. B. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese "im Namen und für Rechnung der" namentlich benannten Fluggesellschaft erstellt wurde und enthält das Ticket den Aufdruck "ausgestellt auf" die betreffende Fluggesellschaft, spricht dies für ein Vermittlungsgeschäft. Auch eine handling fee spricht für ein Vermittlungsgeschäft. Denn bei einem solchen Entgelt handelt es sich offensichtlich um eine Vergütung für die Vermittlungstätigkeit, nicht aber um einen Aufpreis auf das Beförderungsentgelt.
Es ergibt sich auch kein Indiz für ein Eigengeschäft daraus, dass das Beförderungsentgelt von dem Fluggast an diese Reisebüro geleistet wird. Es entspricht nämlich üblicher Praxis eines Reisebüros, dass dieses Empfangsbevollmächtigter ist für die Zahlung des Reisepreises bzw. Ticketpreises und diese Entgelte danach an den Reiseveranstalter bzw. das Luftfahrtunternehmen weiterleitet.
Die letztgenannte Entscheidung zeigt, dass allein die Verwendung des Schlagwortes „Consolidator“ nicht ausreicht, damit sich die Fluggesellschaft dem Abrechnungs-Obligo entziehen kann.